Wie gut kennt man eine Marke wirklich, wenn man versucht, sie durch ihre Produkte zu verstehen? Ich dachte, ich würde Parmigiani verstehen, die in letzter Zeit dank ihrer neu gestalteten Tonda PF-Linie – darunter mein Favorit, die unglaublich kreative GMT Rattrapante- einen Aufschwung erlebt hat. Ich hielt sie für zukunftsorientiert, aber vor allem für clever, um aus der ungebrochenen Nachfrage nach einer integrierten Sportuhr Kapital zu schlagen. Aber in Wirklichkeit brauchte die Tonda-Linie nur einen kleinen Design-Schub in die Gegenwart. Jede der Uhren ist fantastisch und wunderschön gestaltet – aber es stellt sich heraus, dass ich den Punkt völlig verfehlt hatte.

Das ist oft das Problem, wenn man versucht, eine Marke zu verstehen, indem man sich Dinge wie Modellreihen, Veröffentlichungen, Gehäuse oder Zifferblätter ansieht. Die Seele ist immer etwas Tieferes. Guido Terreni, der sympathische CEO von Parmigani, hat weitaus bessere Einblicke als viele andere CEOs in der Branche, in einer Welt, in der CEO-Interviews oft wie abgeschnitten wirken. Aber nur wenige können Michel Parmigiani, dem Gründer der Marke, das Wasser reichen.

Ich kannte ihn als Legende der Branche – den Gründer von Parmigiani Fleuier, leidenschaftlichen Restaurierungsexperten und talentierten Uhrmacher – aber als ich mit ihm im Hauptsitz der Marke in Fleurier in der Schweiz saß, wäre es nicht übertrieben zu sagen, dass seine tiefe und leidenschaftliche Sicht nicht nur auf die Uhrmacherei und das Engagement der Marke für die Restaurierung, sondern auch auf das Leben, die Natur und die Schönheit selbst der banalsten Gegenstände unglaublich bewegend war. Noch wichtiger für diese Geschichte ist, dass er mir auch die Seele von Parmigiani und seinen Uhren näher gebracht hat. Einige dieser Einsichten werde ich mir für ein anderes Mal aufheben, aber ich war beeindruckt von einer beiläufigen Bemerkung, die er machte, als wir uns auf den Abschied vorbereiteten…

“Meine Eltern haben mir immer gesagt, wie ich die Dinge sehen soll”, erzählte er mir. “Sie sagten mir immer, ich solle immer beobachten. ‘Schau, wie schön diese Blumen sind’, sagten sie mir. Nicht nur aus einem Blickwinkel, sondern aus jedem Blickwinkel und in jedem Stadium ihres Lebens. Schau, wie das Licht sie einfängt, wenn sie sich bewegt, und du tust es auch.’ Und dadurch habe ich gelernt zu beobachten. Schließlich erkannte ich, dass alles, was ich in der Natur beobachte – die Naturgesetze – Dinge sind, die ich nutzen kann, um mich in der Uhrmacherei auszudrücken, von der Fibonacci-Folge bis zum Goldenen Schnitt.”

Sie spiegelte mein Verständnis und meine Wertschätzung für die skelettierten Uhrwerke von Parmigiani wider, die an diesem Tag gewachsen waren, als ich die Manufaktur Vaucher besichtigte – die aus der 1975 von Parmigiani gegründeten Werkstatt hervorging -, wo ein Uhrwerkingenieur erklärte, dass die Kurven der Winkel in den skelettierten Brücken des Rattrapante-Chronographen der Marke “unbedingt” schräge, elegante Linien sein mussten, damit das Licht nicht von den Winkeln abgelenkt wurde. Auf der Watches & Wonders habe ich eine Roségoldversion des Split-Second-Chronographen nur 30 Sekunden lang gesehen, und obwohl die Uhr in einem flüchtigen Moment wunderschön war, blieb nicht viel Zeit, um die Nuancen und die Ausgewogenheit der feinen Details zu würdigen.

Nachdem ich mit Michel Parmigiani gesprochen hatte, machte ich einen Abstecher zur Tonda PF Skeleton in Roségold und begann sofort, sie in einem neuen Licht zu sehen. Sie ist zwar erst letztes Jahr auf den Markt gekommen, aber sie ist immer noch ein Kernstück der wachsenden Produktpalette der Marke. Und das Uhrwerk ist schließlich die Seele der Uhr, so wie der Auftrag von Parmigiani, sich selbst herauszufordern, wie man die Welt sieht, ein großer Teil der Seele der Marke zu sein scheint. Welche Uhr eignet sich also besser zum Studieren?

Die Skelettierung der Rückseite des Uhrwerks und des Zifferblatts sind wahrlich Meisterwerke dieser Art von Arbeit. Und vielleicht bemerkt man das gar nicht so sehr, wenn man – wie man es zu tun pflegt – den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Es ist schwer, das nicht zu tun, wenn man eine Uhr betrachtet, bei der das Gesamtpaket so vollständig und effektiv ist. Von der satinpolierten Mitte des Armbands und der Gehäuseflanke bis zum hochglanzpolierten Rand des Armbands, der sich durch die leicht hornartigen Bandanstöße zieht. Meiner Meinung nach ist es sogar eleganter, die Polierung am Rand des Armbands anzubringen, was der Uhr von oben bis unten einen klaren Rahmen verleiht.

Die andere Sache, die dazu führen könnte, dass jemand die Schönheit der Skelettierung und die Eleganz des PF777 Uhrwerks (3,9 mm dick mit 60 Stunden Gangreserve) vermisst, ist die sandgestrahlte und satinierte Graphitfärbung der Brücken, die die Schönheit der Reflexionen auf ihren Kurven abschwächt. Wahrscheinlich ist dies ein notwendiger Kompromiss, so wie die Entscheidung für einen Vollrotor anstelle des großartigen Mikrorotors der Marke. Die Uhr könnte unleserlich sein, wenn die Brücken noch mehr mit den ohnehin schon zarten deltaförmigen Zeigern aus Roségold kollidieren würden. Aber ich fühlte mich nie wirklich belästigt, als ich in meiner kurzen Zeit mit der Uhr nach der Uhrzeit suchte. Vielleicht habe ich mich aber auch nicht gestört, weil mir die Arbeit am Uhrwerk so gut gefallen hat.

Wenn die Entwicklung des Rattrapante-Chronographenwerks ein Anhaltspunkt ist, vermute ich (obwohl ich keine Gelegenheit hatte, danach zu fragen), dass Michel Parmigiani eng in die Entwicklung der vollständig skelettierten Tonda PF eingebunden war. Der Uhrwerkingenieur bei Vaucher sagte mir, dass sie die Brücken dieser Uhr nach Parmigianis Vorgaben und Geschmack entworfen haben, mit kleinen Anpassungen, die sich an den praktischen Gegebenheiten orientierten. Sie haben die Skelettierung nicht bis an die Grenze der technischen Machbarkeit getrieben, sondern sich darauf konzentriert, ein Uhrwerk zu schaffen, das nicht nur für den Besitzer, sondern auch für künftige Generationen die größte Haltbarkeit und Langlebigkeit bietet – eine Anspielung auf Parmigianis Hintergrund in der Restaurierung. Stattdessen wurde die Uhr auf der Grundlage einer Mischung aus Parmigianis ästhetischem Geschmack (einschließlich der Leidenschaft für die Natur und die Spirale des Goldenen Schnitts) sowie einer gesunden Portion intuitiven Gespürs des Ingenieurs für das technisch Machbare entwickelt.

Mit einer Breite von 40 mm und einer Dicke von nur 8,5 mm tritt die Uhr in die Fußstapfen (oder zumindest in die Nähe) der Maße von ikonischen Uhren wie der Jumbo (Royal Oak oder Nautilus, suchen Sie sich eine aus) und trägt sich daher unglaublich bequem. Bei einem Preis von 94’000 CHF kann man das auch erwarten, aber es gibt viele Marken, die teurere und weniger komfortable Uhren herstellen. Wenn Sie das Glück haben, sich die Uhr leisten zu können, hoffe ich, dass Sie sich auch die Mühe machen, mit Parmigiani selbst zu sprechen, was immer das auch kosten mag. Ihre Wertschätzung für das, was Sie an Ihrem Handgelenk tragen – und noch mehr – wird dadurch besser werden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website von Parmigiani Fleurier.